Barrierefreiheits­stärkungs­gesetz: Wer betroffen ist und was das bedeutet

Barrierefreiheit soll sicherstellen, dass alle Menschen gleichermaßen Zugang haben und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können – unabhängig von etwaigen Einschränkungen. Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) treten im Juni 2025 dazu neue Regelungen in Kraft. Hier erfahrt ihr, was ihr dazu wissen müsst und ob ihr von den Änderungen betroffen seid.

Was ist Barrierefreiheit?

Als barrierefrei bezeichnet man alles, was für Menschen unabhängig von etwaigen Einschränkungen frei zugänglich ist. Im Alltag können das zum Beispiel Gebäude sein, die nicht nur über Stufen, sondern auch über eine Rampe zugänglich sind. Aber auch Leitsysteme auf dem Boden oder Ampeln mit akustischen Signalgebern tragen zur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum bei.

Im Rahmen einer alternden Bevölkerung und Demographie leben in Deutschland etwa 10 Prozent der Bevölkerung mit einer schweren Behinderung. Die Zahl und Schwere der Einschränkungen nimmt dabei im Alter deutlich zu. Das gilt natürlich vor allem für Sehschwächen, aber auch für motorische Probleme oder ein eingeschränktes Hörvermögen. Vor diesem Hintergrund ist Barrierefreiheit auch ein wichtiges Instrument, um alternde Zielgruppen weiterhin zu erreichen.

Barrierefreiheit im Internet

Barrierefrei gestaltete Webseiten ermöglichen es auch Menschen mit Einschränkungen, diese zu nutzen. Wie das funktioniert, lässt sich in den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), dem aktuellen Goldstandard für barrierefreien Webseiten, nachschlagen. Darin werden drei unterschiedliche Level an Barrierefreiheit definiert, die auf den folgenden vier Prinzipien beruhen:

  • Wahrnehmbarkeit: Eine barrierefreie Webseite erreicht auch blinde oder taube Menschen. Informationen sollten so aufbereitet sein, dass sie sich nicht ausschließlich mit einem einzigen Sinn wahrnehmen lassen. Texte sollten so gestaltet werden, dass sie sich per Screenreader vorlesen lassen.
  • Bedienbarkeit: Die Funktionen der Webseite müssen allen Menschen zur Verfügung stehen- unabhängig davon, welches Gerät sie zur Bedienung benutzen. Um dieses Prinzip zu erfüllen, sollten die Menüs am besten sowohl mit Maus als auch mit Tastatur zugänglich sein und genügend Zeit für Eingaben eingeräumt werden.
  • Verständlichkeit: Sowohl die Navigation und Bedienbarkeit der Seite als auch die darauf vorhandenen Informationen sollten leicht verständlich sein. Dafür solltet ihr klare, einfache Sprache verwenden und Eingaben wie Formulare mit einer Anleitung versehen. Auch verständliche Fehlermeldungen sorgen für Barrierefreiheit.
  • Robustheit: Robuste Webseiten sehen immer gleich aus, egal mit welchem Endgerät oder welchen Hilfsmitteln sie aufgerufen werden. Dieses Prinzip hat in den letzten Jahren auch im Rahmen der Kompatibilität mit mobilen Endgeräten an Bedeutung gewonnen. Ein weiterer Vorteil: Robuste Seiten sind in der Regel auch zukunftssicher.

Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?

Bisher waren Vorschriften und Richtlinien rund um die Barrierefreiheit für Webseiten vor allem im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und der darauf basierenden Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) geregelt. Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz treten im Juni 2025 deutlich weitreichendere und strengere Regelungen in Kraft.

Die Grundlage für das BFSG bildet der European Accessibility Act (EAA). Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz setzt diese EU-Richtlinie in nationales Recht um. Es trat bereits am 1. August 2021 in Kraft. Der Stichtag zur vollständigen Umsetzung der darin geforderten Maßnahmen ist allerdings erst der 28. Juni 2025.

Wer ist vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betroffen?

Das BFSG soll die Barrierefreiheit in zahlreichen Bereichen stärken. Barrierefrei zugängliche Produkte und Elektronikgeräte sind nur ein Teil der neuen Vorgaben. Das BFSG soll auch den Zugang für Dienstleistungen barrierefrei gestalten. Das gilt insbesondere für:

  • Telefon- und Messengerdienste
  • Bankdienstleistungen
  • Elektronischen Geschäftsverkehr
  • E-Books
  • Personenbeförderung

Ausgenommen sind lediglich Dienstleistungen, bei denen die Umstellung unverhältnismäßig aufwendig wäre. Wann das der Fall ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Hier gibt es viel Interpretationsspielraum.

Also sind alle Unternehmen, die keine Personen befördern, Bankdienstleistungen anbieten oder einen Messenger betreiben nicht betroffen? Nein. Denn fast alle Unternehmen mit einer Internetseite betreiben elektronischen Geschäftsverkehr. Denn dieser schließt jeglichen E-Commerce in Online-Shops ein.

Aber selbst wenn ihr über eure Webseite nicht direkt Produkte verkauft, kann diese unter die neuen Vorgaben des BFSG fallen. Denn bereits die Terminvereinbarung für eine Dienstleistung oder die reine Kontaktaufnahme können als Anbahnung einer Geschäftsbeziehung gewertet werden. Somit fallen alle Internetseiten, die nicht rein informativer Natur sind unter die neue Regelung und müssen ab Ende Juni 2025 barrierefrei gestaltet werden.

Welche Ausnahmen gibt es?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz soll die Zugänglichkeit für Endkunden und Verbraucher verbessern. Experten gehen derzeit davon aus, dass der B2B-Bereich und der Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen nicht betroffen sein werden. Genau festgelegt ist das im Gesetz allerdings nicht. Es handelt sich dabei eher um die aktuelle Deutung durch Rechtsexperten.

Eine weitere Ausnahme stellen sogenannte Kleinstunternehmen dar. Das sind Firmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben und deren Jahresumsatz und Jahresbilanzsumme unter 2 Millionen Euro liegt. Sobald nur eines der beiden Kriterien nicht zutrifft, muss das Unternehmen die Vorgaben des BFSG erfüllen. Die Ausnahme gilt außerdem nicht für Firmen, die Bank-, Personenbeförderungs- und Mediendienstleistungen anbieten.

Welche Vorgaben müssen Webseiten ab dem 28. Juni 2025 erfüllen?

Ab dem 28. Juni 2025 müssen alle verfügbaren Inhalte barrierefrei zugänglich sein. Das BFSG bezieht sich also nicht nur auf Inhalte, die ab dem Stichtag produziert und publiziert werden, sondern auch auf alle vorher erstellten Informationen und Unterseiten. Dadurch ist es nötig, den gesamten Webauftritt so zu überarbeiten, dass er den Richtlinien für die barrierefreie Gestaltung entspricht.

Von dieser Vorgabe gibt es aber auch Ausnahmen: Videos und Dokumente auf der Webseite, die vor dem Stichtag erstellt und produziert wurden, müssen nicht barrierefrei gestaltet sein. Auch weitere Inhalte (wie archivierte Seiten) könnten unter gewissen Bedingungen ausgenommen sein – aber nur, wenn sie nicht mehr aktiv genutzt oder aktualisiert werden. Gerade wenn ihr auf eurer Seite viel Videocontent habt, müsst ihr also nicht aufwendig alle Clips mit Untertiteln versehen.

Welche Ansprüche stellt das BFSG an die Barrierefreiheit?

Die Web Content Accessibility Guidelines definiert drei Konformitätsstufen für die Barrierefreiheit:

  • Stufe A: Mindestanforderungen, damit Menschen mit Einschränkungen überhaupt Zugang zu den Inhalten haben, zum Beispiel Alternativtexte für Bilder, die Bedienbarkeit der Webseite mit der Tastatur und das Fehlen automatisch ablaufender Inhalte
  • Stufe AA: Maßnahmen wie ein ausreichendes Kontrastverhältnis zwischen Text und Hintergrund, Untertitel für Videos und ein responsives Design machen die Seite einem breiteren Nutzerkreis verfügbar
  • Stufe AAA: Die maximale Barrierefreiheit berücksichtigt auch spezielle oder komplexe Bedürfnisse und bietet beispielsweise Übersetzungen in leichte Sprache oder eine umfangreiche Unterstützung assistiver Technologien

Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz werden die Stufen A und AA verpflichtend. Die höchste Stufe AAA könnt ihr erfüllen, müsst es aber nicht.

Kontrolle und Sanktionen bei Verstößen gegen das BFSG

Mit der Überwachung zur Einhaltung der Vorgaben des BFSG sind die Marktüberwachungsbehörden der einzelnen Bundesländer beauftragt. Diese agieren nicht ausschließlich selbstständig. Konkurrierende Unternehmen, Verbände und Verbraucher können sich an sie wenden, wenn sie Verstöße feststellen. Ist das der Fall, bekommt ihr zunächst die Chance dazu, die entsprechenden Probleme zu beseitigen oder eine Ausnahme geltend zu machen.

Wird das BFSG auch nach der von der Behörde gesetzten Frist zur Behebung nicht eingehalten, können Sanktionen verhängt werden. Eine Maßnahme ist zum Beispiel das Verbot, die Dienstleistung weiter anzubieten, solange diese nicht barrierefrei verfügbar ist. Außerdem können im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit Bußgelder von bis zu 100.000 Euro verhängt werden. Damit sind barrierefreie Webseiten in Zukunft kein Nice-to-Have mehr, sondern werden fast überall verpflichtend. Es besteht aber keine generelle Pflicht zur sofortigen Bußgeldverhängung; Behörden müssen meist zuerst eine Nachbesserungsfrist setzen.

Ist unsere Webseite barrierefrei?

Barrierefreiheit liegt oft im Detail. Dementsprechend lassen sich Internetseiten nicht mit einem Blick als barrierefrei einstufen oder nicht. Vielmehr müssen alle Elemente analysiert und gezielt getestet werden. Wenn ihr unsicher seid, ob euer Internetauftritt die neuen Anforderungen erfüllt, wendet euch an uns. Wir machen für euch eine Bestandsaufnahme und geben euch eine Einschätzung, welche Maßnahmen für eine barrierefreie Webseite nötig wären.

Dabei helfen wir euch natürlich auch bei der Einschätzung, was sinnvoll ist. Bei manchen Inhalten oder Unterseiten kann es sinnvoller sein, sie ganz zu ersetzen oder offline zu nehmen, anstatt sie mühsam barrierefrei zu gestalten.

Barrierefreiheit selbst prüfen

Ein ausführlicher Barrierefreiheitscheck braucht Zeit und ist nicht mal ebenso erledigt – vor allem dann, wenn er gründlich und rechtssicher sein soll. In der Zwischenzeit könnt ihr mit der folgenden Checkliste schon einmal selbst überprüfen, ob ihr die wichtigsten Anforderungen erfüllt und bei Bedarf schon einmal anfangen, nachzubessern:

  • Textalternativen für Bilder, Videos und Multimedia: Alle Arten von optischen und Multimediaelementen auf eurer Webseite müssen mit einem Alternativtext ausgestattet sein. Erst dadurch werden sie für Screenreader verfügbar und können auch von Menschen mit Sehbehinderungen erfasst werden. Das gilt selbstverständliche auch für eingebundene Elemente, zum Beispiel Verlinkungen auf Tweets oder andere Social-Media-Posts.
  • Klare und leicht verständliche Sprache: Es muss nicht immer zwangsläufig die stark vereinfachte leichte Sprache sein. Achtet jedoch auf kurze Sätze und verwendet möglichst wenig Fachbegriffe, um eure Inhalte für alle zugänglich zu machen. Falls Fachbegriffe nötig sind: unbedingt bei der ersten Verwendung detailliert erklären oder auf ein Lexikon verlinken.
  • Kontrastreiche Gestaltung: Es gibt einen Grund, warum sich schwarzer Text auf weißem Grund durchgesetzt hat – er ist am einfachsten zu lesen. Egal, ob Menschen mit einer Sehschwäche oder einfach helles Licht auf dem Display. Webseiten mit hohem Kontrast weiß jeder zu schätzen.
  • Lesbarkeit: Die einfachste Sprache und der beste Kontrast nützen wenig, wenn die Schrift zu klein oder zu verschnörkelt ist, um sie einfach zu lesen. Der Goldstandard sind serifenlose Schriften, bei denen sich alle Buchstaben deutlich voneinander unterscheiden.
  • Tastaturnavigation: Nicht jeder kann eine Maus verwenden. Deswegen sollte man auf eurer Webseite auch problemlos mit der Tastatur navigieren können. Das gilt sowohl für das Menü als auch für Formulare und interaktive Elemente.
  • Untertitel: Verseht Videos mit Untertiteln und erstellt für Audiodateien Transkriptionen oder Zusammenfassungen, sodass auch Menschen mit Hörbeeinträchtigungen Zugang zu deren Inhalten haben.
  • Geräteunabhängigkeit: Egal, ob mit dem Laptop, am PC oder auf dem Smartphone: Eure Webseite sollte immer gleich aussehen und funktionieren. Dann lässt sie sich auch per Screenreader erkunden und macht keine Probleme.

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